Selbstfahrende Elektrofahrzeuge haben das Potenzial, die Mobilität in den Städten effizienter und bedarfsorientierter zu gestalten. Die Erwartungen sind hoch, dass autonome Bus- oder Shuttledienste nicht nur die Sicherheit auf unseren Straßen und den Verkehrsfluss verbessern, sondern auch den Platzbedarf verringern werden.

Doch wie können Planer*innen und Entscheidungsträger*innen dafür sorgen, dass diese positiven Effekte auch tatsächlich eintreten? Eine neue Studie der Stadt Göteborg versucht, diese Frage zu beantworten.

Mit dem Aufkommen von autonomen Fahrzeugen, werden Stadtverwaltungen und öffentliche Verkehrsbetriebe vor der Herausforderung stehen, diese bestmöglich im öffentlichen Verkehrssystem einzusetzen.

Wie frühere Studien in Oslo, Köln oder Lissabon untersuchte die aktuelle, in Schweden bisher einmalige Studie, welche Effekte eine Änderung des Reiseverhaltens und der Umstieg auf autonome Fahrzeuge (AV) haben kann.

Das Ergebnis ist ein besseres Verständnis dafür, wie elektrische, gemeinsam genutzte und fahrerlose Fahrzeuge den öffentlichen Verkehr beeinflussen und ergänzen können. Außerdem wird aufgezeigt, wie das Verkehrssystem unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit beeinflusst wird.

Die autonome Zukunft simulieren

Das Projektteam bestand aus Forschenden der Göteborger Stadtverkehrsbehörde, der öffentlichen Verkehrsgesellschaft Västtrafik, des schwedischen Wissenszentrums für öffentliche Verkehrsmittel K2, der Universität Malmö und des Beratungsunternehmens Trivector. Sie modellierten mögliche Zukunftsszenarien mit Hilfe der multimodalen Modellierungsplattform von Göteborg, PTV Visum.

Die Stadt nutzt das nachfrageorientierte PTV-Modell für die Infrastruktur- und Mobilitätsplanung. Für die Studie wurde es um ein spezielles MaaS-Modul (Mobility as a Service) erweitert, um neue Mobilitätsdienste bestmöglich zu simulieren.

In dieser virtuellen Umgebung untersuchten die Forschenden verschiedene mögliche Entwicklungen. In der Simulation gingen sie davon aus, dass die selbstfahrenden Fahrzeuge nur in einem bestimmten Gebiet – den Gemeinden Göteborg, Mölndal und Partille – unterwegs sind. Es ist wahrscheinlich, dass solche Dienste zunächst in Großstädten eingeführt werden, wo sie ausreichende frequentiert sein werden, um  rentabel zu sein.

Die Forschenden konzentrierten sich auf zwei Formen der Nutzung von autonomen Mobiltiätsdiensten:

1) Car-Sharing, bei dem die Fahrzeuge zwar mit anderen geteilt, sie aber wie heutige Pkw privat genutzt werden.

2) Ride-Sharing, bei dem die Fahrt gemeinsam mit anderen Fahrgästen stattfinden, die das gleiche Ziel haben oder in die selbe Richtung wollen.

Die Szenarien

Aus einer heutigen Perspektive erscheinen selbstfahrende Fahrzeuge als eine bequeme und komfortable Art des Reisens. Es ist gut vorstellbar, dass sie für viele ein bevorzugtes Verkehrsmittel darstellen werden.  Ein attraktiver autonomer Mobilitätsdienst könnte vor allem für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel eine interessante Option sein. Wie wird sich das dann auf das Verkehrsaufkommen auswirken?

Die Forschenden untersuchten fünf Szenarien, in denen die heutigen Autofahrer*innen und ÖPNV-Nutzer*innen auf autonomes Car-Sharing umsteigen – mit oder ohne Ride-Sharing. Mit PTV Visum-Simulationen analysierten sie jedes Szenario nach Parametern wie Reisezeiten, Staus und CO2-Emissionen.

Die Ergebnisse

Die Simulationsergebnisse zeigen, dass mehr selbstfahrende Fahrzeuge nicht automatisch weniger Verkehr bedeuten – wie oft vorhergesagt. Mit anderen Worten: Es gibt zwar insgesamt weniger Fahrzeuge im Netz, aber im Durchschnitt fährt jedes Fahrzeug aber mehr.

Die Simulation zeigt, dass eine Umstellung auf autonomes Car- und Ride-Sharing zu einer Reduzierung der Gesamtzahl der Fahrzeuge im Netz um bis zu 80 % führen kann.

Wenn sich die heutigen Autofahrer*innen dabei für die Mitfahrgelegenheiten entscheiden, geht das Verkehrsaufkommen um bis zu 6 % zurück. Entscheiden sie sich jedoch für die Car-Sharing-Option, steigt das Verkehrsaufkommen um 15 %.

Wenn neben den Autofahrer*innen auch die heutigen Nutzer*innen öffentlicher Verkehrsmittel auf autonome Mobilitätsdienste umsteigen, nimmt das Verkehrsaufkommen sowohl im Car-Sharing- als auch im Ride-Sharing-Szenario zu.

Die Schlussfolgerungen

Die Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig es für Städte ist, die möglichen Auswirkungen von autonomen Fahrzeugen zu kennen und diese in Planungen mit einzubeziehen.

Selbstfahrende Mobilitätsdienste müssen als Teil eines ganzheitlichen und nachhaltigen Mobilitätsökosystems betrachtet werden, um sicherzustellen, dass sie nicht zu mehr Staus führen.

Die Forschenden stellen fest, dass autonome Fahrzeuge nur als Ride-Sharing-Dienste und als Teil des öffentlichen Verkehrs nachhaltig sind. Das heutige Verständnis der zukünftigen Auswirkungen von  autonomen Fahrzeugen ist der Schlüssel, um ihr volles Potenzial für Menschen, Mobilität und die Umwelt auszuschöpfen.

Die Weichen für die Mobilität der Zukunft stellen

Wer die Auswirkungen von neuen Mobilitätsdiensten vor ihrer Einführung kennt, kann fundierte Entscheidungen treffen.

1 thoughts on “Studie zeigt Auswirkungen von autonomen Diensten auf die urbane Mobilität

  1. Interessante Studie, jedoch ist das zu kurz gedacht. Die Modellrechnung geht davon aus, dass die Anzahl Wege (Verkehrserzeugung) und die Zielwahl (Verkehrsverteilung) nicht von der Einführung autonomer Fahrzeuge verändert wird, sondern nur die Verkehrsmittelwahl und ggf. die Routenwahl.
    Ich bin jedoch der Meinung, dass diese neuen Mobilitätsangebote noch viel weitreichendere Effekte haben werden: sie werden es für die Menschen akzeptabler machen, längere und weitere Wege zurückzulegen, da in autonom gesteuerten quasi-Privatfahrzeigen die Zeit bequem anders genutzt werden kann, z.B. Vorbereitung auf Arbeit, Meetings, etc. Das Verkehrsaufkommen kann also durchaus steigen: mehr Wege, längere Wege. Darüber hinaus wird es auch möglich, dass Menschen sich entscheiden, den Wohnort anders zu wählen, weiter außerhalb zu wohnen. Junge Familien und ältere Menschen können so entscheiden, im Grünen zu wohnen, auch wenn sie selber keine langen Wege fahren wollen oder können.
    Autonome Car- und Ride-Sharing-Angebote werden sie auch aus niedrig besiedelten Gebieten zu akzeptablen Preisen abholen und zur Schule bzw. zum Arzt zu fahren. Das schafft kein anderes heute verfügbares Verkehrsmittel zu günstigen Preisen. Insofern kann autonomes Fahren auch zu einer weiteren Zersiedelung und damit zu mehr motorisierten und zu längeren Wegen beitragen.
    Diese weitreichenderen Effekte werden in der genannten Studie nicht betrachtet.

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