Im Juli haben die Verkehrsminister auf ihrer Sonderkonferenz beschlossen, dass sie eine Preiserhöhung für das Deutschlandticket für erforderlich halten. Ein Rückschritt für die vielbeschworene Verkehrswende, dürfte das Ticket doch dadurch an Anziehungskraft verlieren. Als mögliche Lösung fasst der Nationale Radverkehrsentwicklungsplan den Ausbau der Radinfrastruktur Deutschlands ins Auge; allen voran die Stadt Leipzig. Schon vor der aktuellen Planung zu nachhaltigen Verkehrsmitteln verzeichnete die Stadt einen kontinuierlichen Anstieg des Radverkehrs. Damit noch mehr Menschen auf das Rad umsteigen und auch sicher unterwegs sind, möchte die Stadtverwaltung den Radverkehr noch konsequenter ausbauen und fördern. Ein Radverkehrswegeplan weist den Weg.

Radverkehr als tragende Säule für die Nahmobilität

Hauptnetz für den Radverkehr in Leipzig
Hauptnetz für den Radverkehr in Leipzig in einer älteren Version ©2024 Ökolöwe - Umweltbund Leipzig e.V.

Schon 2020 hat sich die Stadt Leipzig über eine Mobilitätsstrategie für eine sichere, saubere und bezahlbare Mobilität für die Bewohner*innen verpflichtet. Thomas Dienberg, Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau, sieht die Förderung von Rad- und Fußverkehr als den wichtigsten „Baustein, um die Aufenthaltsqualität in innerstädtischen Bereichen wesentlich aufzuwerten“. Auch vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Nahmobilität in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Und es gibt noch viel zu tun: „Die Gesamtlänge der Radverkehrsanlagen im öffentlichen Verkehrsraum hat sich von 74 km im Jahr 1990 auf über 400 km bis heute mehr als vervierfacht“, lauten die Angaben auf der Internetseite von Umwelt und Verkehr der Stadt Leipzig. Allerdings würden zwei Drittel des Straßenhauptnetzes nicht über Radverkehrsanlagen verfügen und wären schrittweise zu verbessern. Für eine reibungslose Analyse und Umsetzung beauftragte die Stadt Leipzig die Expert*innen der PTV Transport Consult mit der Erstellung eines Radverkehrsentwicklungsplans.

Vision des Radverkehrsentwicklungsplans

Aufbauend auf einer umfassenden Bestandsanalyse entwickelten die Verkehrsberater*innen der PTV Transport Consult gemeinsam mit den Vertretenden der Stadt Leipzig, der Fachverbände, der Politik und der Bevölkerung eine Vision sowie Ziele und Indikatoren zur Erfolgsmessung. Die Vision beschreibt, welche Rolle das Fahrrad im Gesamtgefüge der städtischen Mobilität einnimmt und welche übergeordneten Zielsetzungen man durch die Umsetzung der in den Handlungsfeldern definierten Maßnahmen für den Radverkehr erreichen möchte. Die Vision für 2030+ steht unter dem Motto „Radverkehr verbindet Leipzig“. Gemeint sind Bereiche in denen das Fahrrad eine besonders positive Wirkung entfalten kann: für den sozialen Ausgleich und den Zusammenhalt innerhalb der Stadtgesellschaft, für eine generationengerechte Mobilität, für eine bessere Verknüpfung der Stadtteile, für die Leipziger Wirtschaft und die Erfüllung von Nachhaltigkeits- und Klimaschutzzielen. Konkrete Ziele sind beispielsweise die Zunahme des Radverkehrsanteils und die Verringerung der CO2-Emissionen sowie eine anforderungsgerechte und lückenlose Infrastruktur und notwendige Ressourcen bereitzustellen.

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Zentrale Ziele des Radverkehrsentwicklungsplans

Neben den positiven Effekten auf Mensch und Natur hat die Stadt sich zentrale Ziele für die Radverkehrsentwicklung gesteckt. Zum einen das Erreichen der Vision Zero über eine höhere Verkehrssicherheit. Zum anderen eine bessere Infrastruktur, die sowohl für einem weiteren Zuwachs bei den Radfahrenden und ein fahrradfreundlicheres Klima in der Stadt sorgt als auch die städtischen Randgebiete besser anschließt. Eine weiteres Ziel ist, über eine spezielle Infrastruktur für die Logistik auch die Fahrradnutzung im Wirtschaftsverkehr zu fördern. Als Maßnahme plant man die Integration so genannter „Micro-Hubs“, die als kleine Depots für Lastenrad-Kurier e und Zulieferer dienen. Dadurch erhält das Verkehrsmittel Fahrrad zusätzlich eine besondere Bedeutung als Wirtschaftsfaktor.

Insgesamt liegt der Fokus der Mobilitätsstrategie auf der Stärkung des Umweltverbunds. So will man seinen Anteil am Modal Split bis ins Jahr 2030 auf 70 Prozent steigern. Der Modal Split beschreibt dabei die anteilige Aufteilung der Hauptverkehrsmittel an der Anzahl an zurückgelegten Wegen oder zurückgelegten Kilometern. „Bis 2030 soll der Radanteil an allen Personenwegen 23 Prozent und an allen Arbeitswegen 35 Prozent betragen“, berichtet Anna Helm, projektbeteiligte Beraterin aus dem Bereichen Verkehrsplanung und Verkehrstechnik. „Gegenüber 2018 wäre das eine Steigerung von vier Prozent bei den Personenwegen und sogar dreizehn Prozent bei den Arbeitswegen.“

Vier Handlungsfelder und elf Pilotprojekte

In vier Handlungsfeldern entwickelte man gezielte Schritte, die jeweils die Zielerreichung gewährleisten sollen: das Fahrrad in Verbindung mit dem Menschen, der Politik, der Wirtschaft und der Infrastruktur. Im besonderen Fokus stand dabei das Radnetz der Stadt, das sogenannte Hauptnetz Rad. Auf der Basis von Befahrungsdaten definierten die Expert*innen Maßnahmen, um eine flächendeckende adäquate Infrastruktur herzustellen.

„Aus allen für den Radverkehrsentwicklungsplan entwickelten Maßnahmen wurden elf Pilotprojekte ausgewählt“, schildert Projektleiterin Birgit Uhlig das Vorgehen. „Die Pilotprojekte erfüllen besondere Funktionen: Einige verbessern die Sichtbarkeit von Maßnahmen für den Radverkehr und haben eine Signalwirkung. Daher sind die meisten Pilotprojekte in einem relativ kurzen Zeitraum von zirka drei Jahren umsetzbar.“ Zudem setzte man für die Umsetzung Planungsgrundsätze fest, welche die Anforderungen an die Planungsprozesse definieren.

Beteiligungskonzept bei der Entwicklung des Radverkehrsentwicklungsplans
Beteiligungskonzept bei der Entwicklung des Radverkehrsentwicklungsplans © Stadt Leipzig

Die Pilotprojekte des Radverkehrswegeplans

  1. Konsequenter Schutz von Radfahrenden an Knotenpunkten
  2. Durchgehende Führungen des Radverkehrs
  3. Erprobung einer geschützten Führung für den Radverkehr
  4. Ausweitung von Fahrradstraßen: Herstellung verkehrsberuhigterstädtischer Radverkehrsachsen
  5. Ausbau von B+R: Einrichtung Fahrradparkhaus am  Hauptbahnhof
  6. Hochwertige Fahrradabstellanlagen in Wohngebieten
  7. Intuitive Führung des Fuß- und Radverkehrs im Seitenraum
  8. Verbesserung von Winterdienst und Reinigung
  9. Reduzierung von Wartezeiten des Radverkehrs
  10. Erprobung umweltfreundlicher Beleuchtung und umfeldverträglicher Radwegebeläge
  11. Zertifizierung der städtischen Verwaltung und Betriebe als fahrradfreundliche Arbeitgeber

Die Öffentlichkeit hat das Wort

„Begleitet haben wir die Stadt auch bei einer umfassenden Beteiligung der Stadtbevölkerung, der verschiedenen Interessensgruppen und der beteiligten Ämter der Stadtverwaltung“, erklärt Uhlig weiter. „Eine Mammutaufgabe, bei wir wirklich jeden Beteiligten und jede Beteiligte mitnehmen wollten: Die Ergebnisse sind in alle erarbeiteten Inhalte eingeflossen.“ Nach einer Auftaktveranstaltung folgten Möglichkeiten zur Online-Beteiligung, ein Infostand im Rahmen einer Ökofete, Workshops und Diskussionsrunden.

Neben der gestiegenen Fahrradverfügbarkeit für jeden Haushalt bestimmen heute neue Fahrrad- und damit Nutzungsformen das Bild des Radverkehrs. So muss man bei der Planung die zunehmende Verwendung von Pedelecs, E-Bikes, E-Lastenrädern und Fahrradanhängern berücksichtigen. Aus diesem Grund ergeben sich von den Nutzenden die unterschiedlichsten Anforderungen an die Radverkehrsinfrastruktur: Das sogenannte Lichtraumprofil, also der Bewegungsraum, den ein Verkehrsmittel benötigt, ist für neue Fahrradtypen definitiv größer geworden. Fahrradanhänger und Lastenräder benötigen zudem mehr Abstellflächen. Weil auch E-Scooter auf die Fahrradwege drängen und die oft schmalen Radwege direkt an Straßen entlangführen, fühlen sich die Radfahrenden heute oft unsicher. Diese gefühlte subjektive Unsicherheit hindert die Menschen oft daran, auf das Rad umzusteigen. Letztlich kristallisierten sich nach der Beteiligung der Öffentlichkeit drei Maßnahmen mit besonders hoher Priorität heraus: Die klare Trennung des Radverkehrs vom Kfz-Verkehr, der Lückenschluss bei bestehenden Radwegen und eine verbesserte, sichere Infrastruktur an Knotenpunkten.

Ein Plan unter Beobachtung

Nicht nur eine regelmäßige Zielerreichungskontrolle haben die  vorgesehen. Auch die Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit werden im Rahmen eines Monitoring- und Evaluationskonzepts in festgelegten Zeitabständen evaluiert und überprüft.

Potenzial des Radverkehrswegeplans

Immer mehr Städte befassen sich mit neuen Verkehrskonzepten und möchten dabei insbesondere nachhaltige Verkehrsmittel fördern. Ob Zürich oder Kassel – die Mobilität ist in einem spürbaren Umschwung begriffen. Natürlich besitzt der öffentliche Verkehr dabei ein großes Potenzial.

Ein besonderes Augenmerk liegt aber auch auf dem Ausbau des Radverkehrs. Gerade durch die elektrisch angetriebenen Räder haben sich die Möglichkeiten zur Fahrradnutzung und der Radius der damit zurücklegbaren Wege enorm erweitert. „Die Entwicklung eines solchen umfassenden Radverkehrswegeplans ist komplex. Aber der Aufwand lohnt sich wirklich“, fasst Uhlig das Projekt zusammen. „Jeder Kilometer, den die Menschen dadurch mehr mit dem Fahrrad zurücklegen, ist es wert. Und tatsächlich bekommt eine Stadt wie Leipzig damit einen professionellen Rahmen für den passenden Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Und am Ende den Schlüssel zu einer nachhaltigen Verkehrswende im urbanen wie ländlich angeschlossenen Bereich. Ein Erfolgsmodell.“

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